Besuch des Fördervereins Musik an der Stadtkirche Ludwigsburg e.V. in der Orgelbauwerkstatt Lieb. Bild: Siegfried Bauer.

Am Ostersonntag 2019 soll die neue Truhenorgel der Stadtkirche eingeweiht werden. Nun hatten Mitglieder des Fördervereins die Gelegenheit, die Orgelbauwerkstatt Friedrich Lieb in Bietigheim zu besuchen und die Fertigstellung des kostbaren Instruments zu bestaunen.

Orgelbaumeister Lieb erklärte den interessierten Besucherinnen und Besuchern die Funktionsweise des Instruments. Noch konnte man das Innere der Truhenorgel und die vielen Einzelteile sehen und sogar in die Hand nehmen.

Auch die Ludwigsburger Kreiszeitung hatte Interesse an diesem Werkstattbesuch und schickte einen Journalisten und eine Fotografin.

Zum Schluss waren sich alle Besucher einig, dass uns an Ostern ein besonders wertvolles Instrument erwartet.

Die Ludwigsburger Kreiszeitung hat über diesen Besuch auch in der Ausgabe  23/.24. März 2019 auf Seite 17 mit einem großen Artikel berichtet:

Truhenorgel für die Stadtkirche

Werkstattbesuch des Fördervereins Musik an der Stadtkirche bei Friedrich Lieb nahe der Kammgarnspinnerei. Dort ist gerade eine Truhenorgel im Entstehen. Am Ostersonntag wied sie bei einem Festgottesdienst eingeweiht.

Von Thomas Faulhaber

Der Korpus sieht aus wie ein edles Sideboard. Samtenes Birnenholz hat der Orgelbaumeister dafür gewählt. Auch andere Hölzer sind zum Einsatz gekommen. Die Windlade ist zum Beispiel aus Eiche, die Pfeifenstöcke aus Linde, die Tasten lagern auf Fichte, sind selbst aber mit hellerer Zwetschge und schwarzem Ebenholz belegt. Wie auch die Backen der Klaviatur. Die offenen Pfeifen sind aus Ahorn, die gedeckten aus Birne. Das ist wichtig für die Klangfarbe.

Friedrich Lieb ist bei der Auswahl der Hölzer extrem wählerisch aber hat Stammsägewerke, die ihn informierern, wenn etwas Besonderes hereinkommt. Dann fährt er los und reserviert sich nach intensiver Begutachtung seine Balken und Bretter. Danach braucht er Geduld. „Pro Zentimeter Stärke ein Jahr Lagerung”, lautet die Fausformel. Die dickste Bohle für die Truhenorgel trocknete so 60 Monate lang.

Auf dem Reißbrett ist das Innenleben der Orgel im Maßstab eins zu eins berechnet und gezeichnet. „Bei so wenig Platz ist nicht viel Spielraum”, erklärt Lieb der kleinen Besuchergruppe. Alles muss millimetergenau passen. Korrekturen wären kompliziert. Auf engstem Raum müssen 200 Pfeifen untergebracht werden. Die Kleinste misst gerade mal 8 Millimeter, die größte 1,4 Meter. 50 Stück für jedes der vier Register. Zwei sind aus Holz, die machen der 58-jährige und sein 51-jähriger Geselle Andreas Klaiber selbst. Die Teile fürs Zungenregister und die aus Metall kauft er zu.  „Das wäre für meine Werkstatt zu aufwendig”, erklärt er. Aus wie vielen Einzelteilen sie insgesamt besteht, vermag Lieb nicht zu schätzen, es müssen Tausende sein. Allein eine Holzpfeife besteht schon aus acht.

Lieb ist ein erfahrener und sehr renommierter Orgelbauer, der 1986 seine Meisterprüfung an der Oscar-Walcker-Schule auf dem Römerhügel erfolgreich ablegte und sich ein Jahr später selbstständig machte. Ein Dutzend große Kircheorgeln hat er gebaut und 17 Truhenorgeln. Ein zweieiiger Zwilling für die Stadtkirche steht so in der Dresdener Frauenkirche. Denn kein Instrument, das er bislang baute, ist identisch. Ein jedes ist ein Unikat, das bei fachgerechter Pflege locker zehn Generationen überdauern kann.

Chöre und Solisten werden von so einer Truhenorgel begleitet. Aber auch kleinere Kammerorchester und Ensembles. Sie ist sehr wandlungsfähig und kann passend für historische Instrumente gestimmt werden, aber auch für moderne Besetzungen. „Wichtig ist, dass das akustische Erscheinungsbild harmonisch ist und zum Auftritt passt“, so Lieb. Es gibt weder Pedale noch Prospekt und nur eine, sehr direkte Klaviatur. Der Ton steht, sobal die Taste angefasst wird. „Die Lautstärke kann über den Anschlag nicht variiert werden.” Das könne ohne Übung für normale Klavierspieler zum Problem werden.

Mit 53.000 Euro ist die Truhenorgel vergleichsweise günstig. Immerhin stecken in ihr 900 Arbeitsstunden, außerdem jede Menge Holz und Metall. 40.000 Euro hat der Förderverein schon gesammelt. In einer Aktion hat die Kreissparkasse Einzelspenden aufgedoppelt, einen sehr namhaften Betrag steuerte der Ludwigsburger Ehrenbürger und Stadthstoriker Dr. Albert Sting bei. Der frühere Kirchenmusikdirektor Prof. Siegfried Bauer hofft, dass der Klang der Truhenorgel nicht nur die Herzen hebt, sondern auch die Geldbörse öffnet. „Uns fehlen schließlich noch 13.000 Euro.” Bauer freut sich: „Damit kommt die Stadtkirche nach dem Einbau der neuen Orgel 2015 für 1,3 Millionen Euro musikalsch endgültig in der ersten Liga an.” Bislang musste das Instrument für teures Geld geliehen werden. Und er betont, dass im Eigentum des Fördervereins bleiben und der Kirche nur ausgeliehen wird.

Es wird eine Wanderorgel werden, kündigte Bauer an. Denn sie soll nicht nur in der Stadtkirche zu hören sein, sondern auch in der Friedenskirche. Auch deshalb habe man sich wegen der räumlichen Nähe für Lieb entschieden. Schließlich sollte das Instrument nach jedem Umzug neu gestimmt werden.

Auch den Kollegen von der katholischen Nachbarkirche soll sie zur Leihe angeboten werden. Zwei kräftige Männer könnten sie in einen Transporter heben, sagt Lieb. „Das meiste an ihr ist schließlich Luft.”

Am Ende bedauert er, wie immer, wenn die letzte Verkleidung angebracht ist, dass man von dem handwerklichen Gesamtkunstwerk nichts mehr sieht. „Es ist, als wenn man die Motorhaube bei einem Auto zuschlägt.”

Diesem Artikel in der Ludwigsburger Zeitung war noch ein Foto vom Ramona Thiess beigefügt, das aber hier auf der Homepage nicht wiedergegeben ist.